Hier möchte ich Euch einen Artikel aus dem Jahre 1957 vorstellen
Ja. das Problem ist im Grunde genommen so alt, wie die Kirmes selbst.
Leider wird es immer wieder Querulanten und Nörgler geben. Glücklicherweise
sind die in der Minderzahl.ABER::::: es gibt sie.
Baden-Württemberg
Ein Volksfest kam vor den Kadi
DIE ZEIT, Ausgabe 22, 1957
© DIE ZEIT, 30.05.1957 Nr. 22
fkd., Weinheim an der Bergstraß«
Das erste „Weinheimer Frühlingsfest" ist zu Ende. Zu Ende ist auch der Prozeß, den 132 Anwohner des Festplatzes im Stadtteil Pranke! gegen die Stadt Weinheim angestrengt hatten, um durch Gerichtsurteil die Durchführung des Festes zu verhindern. Das Landgericht hat in der vergangenen Woche, als das sieben Tage dauernde Fest seinem Höhepunkt zusteuerte, die Klage kostenpflichtig abgewiesen.
Schon immer haben die Prankelbewohner. für die Erhaltung der Ruhe in ihrem Stadtteil gekämpft. Doch meist ohne Erfolg. Als nun der Verkehrsverein vor einem halben Jahr im Gemeinderat anregte, alljährlich ein „Weinheimer Friihlingsfest" zu veranstalten und zwar auf dem im Stadtteil Prankel gelegenen Jahnplatz, da erhoben sofort 132 Prankelbewohner lauten Protest. Ein Kompromiß Vorschlag des Oberbürgermeisters, das Fest nur in diesem Jahr auf dem Jahnplatz durchzuführen und im nächsten auf einem noch zu schaffenden neuen Platz, wurde im Gemeinderat abgelehnt.
Daraufhin verklagten die Prankelbewohner ihre Stadtverwaltung. Sie mächten geltend, daß der niit einem Volksfest verbundene „unerträgliche Lärm" den Anwohnern nicht zugemutet werden könne und im übrigen gesundheitsschädigend sei. Ein Gutachten, angefertigt von prominenten Medizinern, bestätigte diese Behauptung: Volksfestlärm ist gesundheitsschädigend.
Die Stadt Weinheim ihrerseits machte geltend, daß ein Volksfest in einer Stadt mit starkem pfälzischen Einschlag nun einmal einem allgemeinen Bedürfnis entspreche. In ihrer weiteren Rechtfertigung bezog sich die Stadt unter anderem auf ein Gutachten zweier Kapazitäten des öffentlichen Rechts, der Heidelberger Professoren Forsthoff und Schneider.
Was diesem Prozeß seine besondere Note gab, war der Umstand, daß zwar Urteile aus fast allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens vorliegen, keines aber, das sich auf die Abhaltung eines Volksfestes bezieht. Und das, obgleich seit mehr als zweitausend Jahren Volksfeste gefeiert werden.; Durch das Weinheimer Urteil ist-diese Lücke jetzt geschlossen worden. Juristen, Kommunalpolitiker, Schausteller und Gewerbetreibende können aufatmen.
Von den 27 000 Weinheimer Bürgern ist der Gerichtsbeschluß mit Freude aufgenommen worden. Die 132 Festgegner dagegen sind verbittert, und viele von ihnen haben •— wie glaubhaft versichert wird — versucht, ihren Ärger im Festzelt zu betäuben.
quelle: www.dieZeit.de