Der große Reiz des Herumziehens

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Merkur

Diese Woche Osnabrück, nächste Woche Lüchte in Ostwestfalen – seit knapp 30 Jahren ist Hans-Joachim Eckelmann ständig auf Reise. Eigentlich hat er Gärtner gelernt. Aber der Reiz war zu groß: Mit knapp zwanzig heuerte Eckelmann beim Autoscooter Tovar an. „Junger Mann zum Mitreisen gesucht“, hieß es damals auf der Anzeige.

Der Autoscooter ist eines der beliebtesten Fahrgeschäfte. Hans-Joachim Eckelmann zieht mit der Schaustellerfamilie Tovar von Ort zu Ort. Foto: Jörn Martens „Ich habe mich auf der Kirmes bei uns zu Hause immer für die Autoscooter interessiert“, erzählt der 49-Jährige. Zu Hause, das war Hildesheim.

Heute lebt Eckelmann im selben Ort wie die Schaustellerfamilie, in Glandorf. „Probeweise bin ich mal mitgefahren. Ich wollte etwas Eigenes machen, ausprobieren und auch etwas von der Welt sehen.“ Aus dem Familienbetrieb ist er mit seiner Erfahrung heute nicht mehr wegzudenken.


Als die Kollegen ein Ersatzauto aus dem Laster hieven, packt Eckelmann direkt mit an. „Zweieinhalb bis drei Zentner wiegt so ein Gerät“, erklärt er entspannt, gekleidet in Jeans, Hemd und Freizeitjacke. „Die Arbeit ist nicht mehr körperlich so schwer wie früher“, sagt er. „Da mussten die Verkleidungen zum Beispiel noch mit Stangen hochgestemmt und verbolzt werden. Jetzt geht alles hydraulisch.“

Die Technik hat das Leben leichter gemacht. Trotzdem muss jeder Handgriff sitzen. Auch das Kinderkarussell von Tovar gleich nebenan wird von der Scooter-Crew betreut. „Elektroarbeiten,

Schweißen, die Lkw und die Autos fahren – wir machen alles“, sagt er. Morgens um neun ist Arbeitsbeginn. Wenn der Fahrbetrieb läuft, wird es ruhiger. Eckelmann und Kollegen achten auf den reibungslosen Ablauf, haben einen Blick dafür, wenn jemand Hilfe beim Anschnallen braucht oder das Fahrzeug mit dem Lenkrad nicht in Gang bekommt.

Urlaub gibt es fast nur im Winter, in der kirmesfreien Zeit. Und die Bezahlung? „Die ist gut“, betont Eckelmann. Verpflegung und Unterkunft auf Reisen sind kostenfrei. Eingekauft und gekocht wird aber


selbst. Im Urlaub fährt der Scooter-Fachmann gern schon mal Ski oder in die warme Türkei. „Wir machen zwar mehr Stunden, als es in anderen Jobs der Fall ist, aber ich glaube, dass wir mehr Geld zur Verfügung haben als ein durchschnittlicher Verdiener.“ Denn der Autoscooter ist eines der beliebtesten Fahrgeschäfte geblieben, vor allem für Jugendliche. „Es ist ein ganz lockerer Umgang miteinander“, sagt Eckelmann. „In manchen Orten kommen die Jugendlichen schon zum Scooter, wenn wir noch beim Aufbau sind.“ „In Harsewinkel“, erzählt er lachend, „grüßen einige Jungs jedes Mal rüber und gratulieren mir zum Geburtstag.“ Das freut ihn.

Eckelmann bereut seine Entscheidung, einst als „junger Mann zum Mitfahren“ dabeigeblieben zu sein, überhaupt nicht. Was ihm besonders an dem Betrieb liege: „Es ist schon ein familienähnlicher Zusammenhalt.“ Den Sohn seines Chefs hatte er als Kind schon auf dem Schoß. Jetzt ist der sein


Boss. Und auch dessen 14-jähriger Sprössling ist außerhalb der Unterrichtszeiten immer mit auf Reisen. Alle drei Tovars hießen und heißen Bernhard mit Vornamen. Als Eckelmann den Jungen fragt, was sein Berufswunsch sei, kommt die Antwort ohne Zögern: „Schausteller, auf jeden Fall!“



Quelle:http://www.neue-oz.de/information/noz_print/stadt_osnabrueck/25048744.html
 

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