Die guten alten Zeiten.

M

Merkur

Aus der Tagespresse:


Das beste Karussell
"Darf ich bitten?" fragt er lächelnd. Es ist Kirmes in der Stadt. Die Gerüche nach Zuckerwatte und gebrannten Mandeln wehen über die Häuser. Unermüdlich dreht sich die Scheibe des „Flying circus“, überschlägt sich, brüllt der Einheizer: „Wollt ihr noch `ne Runde?“ und die kreidebleichen Teenies unter den Bügeln beißen die Zähne zusammen und nicken. Sie sehen aus, als würden sie gleich kotzen, aber sie halten durch, schließlich will man sich ja vor den anderen in der Clique keine Blöße geben.
Der Schlitten des Powertowers verharrt minutenlang in Schwindel erregenden 70 Metern Höhe, um dann die Fahrgäste in Fallgeschwindigkeit nach unten sausen zu lassen.

Mir wird übel vom bloßen Zusehen.
Gibt es hier denn nichts Harmloses außer dem Autoscooter oder dem Kettenkarussell, etwas Nettes, das einem nicht den Angstschweiß auf den Rücken treibt oder Übelkeit verursacht?
Ja! Bescheiden in der immer gleichen Ecke steht es, das beste Karussell, nennt sich heute „Beach Party“ und dreht seine Runden mal vorwärts, mal rückwärts.

Ein Karussell, das die Zeiten überdauert hat. Früher hieß es mal „Musik-Express“, das Nachfolgemodell der Raupe, jenes Karussells, bei dem sich am Ende der Fahrt immer ein Verdeck über die Sitze wölbte - die ideale Gelegenheit zum Knutschen.
Hier hängen immer noch die gleichen Leute rum wie vor 30 Jahren: Cliquen von Jugendlichen, ein paar verschrobene Typen, ein paar Kids, die das Karussell nur mal ausprobieren wollen. Und sie spielen immer noch den gleichen Mix an Hits.

Das „Beach Party“ fährt jetzt vorwärts, lange, mit ziemlich hoher Geschwindigkeit, die die Innensitzenden an die Außensitzenden presst.
Wer kennt das nicht? Genau das war früher immer die Chance, dem Schwarm näher zu kommen. Man sah zu, dass man selbst zuerst einstieg und nach innen kam, um sich dann wie zufällig während der Fahrt nicht mehr halten zu können und an seine Hüfte zu rutschen.

Ich muss an Peter denken, damals in der sechsten Klasse. Meine erste Fahrt im „Musik-Express“, aber leider auch meine einzige mit Peter. Der Hüfttrick hat nicht geklappt.
Dafür lernte ich später jemand anderen auf einem anderen Rummelplatz kennen….

Nein, hier hat sich wirklich nichts verändert. Bis auf eine Kleinigkeit. Auf dem Geländer, wo sonst immer die Teens hocken, sitzt ein flotter Mitvierziger und starrt verträumt auf das sich drehende Karussell.
Unauffällig stelle ich mich neben ihn. Ich weiß, an was er denkt. Er denkt an frühere Zeiten, an verflossene Lieben, an seinen ersten Kuss.
Irgendwann fällt sein Blick auf mich, und ich merke, wie er mich heimlich mustert.

Dann steht er plötzlich vor mir, und ehe ich etwas sagen kann, fragt er „Darf ich bitten?“
Dabei deutet er lächelnd auf das Karussell.
Ich überlege nicht. Schnell folge ich ihm zum Fahrkartenschalter und dann zu einem der Wagen, aus dem ein blasses, aber glückliches Teenie-Pärchen steigt.
Mein Begleiter lässt mir den Vortritt, und wie selbstverständlich, als wäre es Teil eines uralten Rituals, rutsche ich nach innen auf die Sitzfläche.




Quelle:Rheinische Post
 
Erinnert mich voll an meine erste Musik Express Fahrt.

DANKE!
 
Super......finde diese Geschichte/Text voll süüüüüüüß..... :wub:

MfG Projkt 1
 
ZITAT(Projekt1!!! @ 17.10.06 - 17:08) [snapback]66713[/snapback]

Super......finde diese Geschichte/Text voll süüüüüüüß..... :wub:

MfG Projkt 1
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Ich auch, so ehnlich eroberte ich meinen schwarm im Rio-express... :red: :wub:
 
sehr guter bericht .und bei mir wars der polyp von kinzler und webbers musik shop.
 

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