Geisterbahn, Autoscooter & Co. - Kunst auf Rädern

Uli Keller

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12 Juni 2010
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Wer über die Kirmes geht, kann viel fühlen. Übelkeit zum Beispiel, sollte man sich in eines der Karussels gewagt haben. Aber natürlich auch den zimtigen Geruch von Crepes oder die Freude über einen Losgewinn. Und dann ist da noch etwas, für die Augen.

Blinkende Lichter, ohrenbetäubende Musik und der altbekannte Spruch "Wer hat noch nicht, wer will noch mal". Kirmes. Meist will man noch mal. Noch mal eine Bratwurst an der Fressbude futtern, noch mal im Riesenrad übers Städtchen blicken, noch mal beim Rückwärtsgang im Breakdancer die Bratwurst-Einfuhr verfluchen. Im Getümmel ist der gedankliche Weg zu einer beschaulichen Malerei-Ausstellung weit. Und doch findet sich auf jedem Rummelplatz Kunst en masse.

Uwe Elfering aus Laer gestaltet diese Kunst. Als Karussellmaler gibt er Fahrgeschäften und Fressbuden einen neuen Anstrich. Dabei wird nicht nur ein bißchen bunte Farbe aufgetragen – es geht um Konzepte, Themen und Trends. Mit geübter Hand und gerunzelter Stirn bringt Elfering Ideen mit bunten Stiften zu Papier.

Grundlage: Kundenwünsche
Technische Gegebenheiten und Kundenwünsche sind die Grundlage seiner Zeichnungen. Von den Entwürfen wird dann per Hand auf die Objekten übertragen und danach mit der Spritzpistole ausgemalt. „Im Prinzip ist es wie beim Auto lackieren, nur größer. Es wird geschliffen, grundiert, gefüllert damit eine homogene Fläche entsteht, die schnellweiß wie ein Blatt Papier ist.

Dann zeichnen wir mit dem Bleistift vor und am Ende kommt Airbrush drauf“, vergleicht der Kirmeskünstler. Mit seiner Arbeit ist der 45-Jährige in die kreativen Fußstapfen seines Vaters getreten. „Ich bin da so reingewachsen, habe die künstlerische Ader geerbt. Eigentlich wollte ich Ingenieur für Fahrzeugbau werden, aber mein Vater hat mich überredet.“ Bereut hat der gelernte Schilder- und Lichtreklamehersteller diese Entscheidung für die „Knochenarbeit“ nie: „Es ist keine Alltagsarbeit, das ist das Schöne daran.“

Zwei Monate ein Karussell bemalt
Seit der Übernahme der Firma im Jahr 1999 fertigt der Objektmaler „von der kleinsten Kleinigkeit, wie Schildern für Weihnachtsmärkte, bis zu Riesenrädern“ alles. Und die Arbeit an den Schausteller-Raritäten ist zeitintensiv: „Ein kleiner Wagen dauert zirka 14 Tage, im Winter hat ein großes Karussell zwei Monate gestanden“, erzählt der erfahrene Airbrush-Künstler, der in der Branche schon Einiges erlebt hat.

„Eigentlich ist jeder Kunde eine Anekdote für sich, anders als bei den Industriekunden“, meint der Firmeninhaber: „Einmal sind wir mit drei Leuten nach Hessen gereist und haben einen Pizzawagen, der dringend zum Einsatz mußte, an einem Wochenende fertig gemacht.“ Und natürlich hat auch der Lack-Profi seine Steckenpferde: „Kinderkarussells, da kann man dann in Märchenbüchern blättern und tolle Motive finden.“

Jugendstil von Spiderman verdrängt
Die Dekorationen von Fahrgeschäften und Verkaufsbuden spiegeln dabei auch den Zeitgeschmack. Waren früher Schmuckelemente aus der Zeit des Barock oder Jugendstils populär, dominierten zwischenzeitlich Neonfarben die Fassaden, heute sind die Fahrgeschäfte mit Spiderman- und HipHopszenen Zeitzeugen der aktuellen Film- und Musikindustrie.

Neue Ideen sind stets gefragt. „Wir haben auch schon im Kundenauftrag einem Modellbauer, der aus Pappe Kirmeswagen bastelte, eine Idee abgekauft und sie verarbeitet“, berichtet Elfering.

Teurer als so manche Leinwand
Ist ein Wagen fertig, erstellen die Schausteller eine Fotomappe. Die geht an die Städte, die dann das Platzrecht erteilen. „Eigentlich sind die Motive mehr für die Vergabeverfahren und die Schausteller als für die Besucher interessant.“ Die fahrenden Kunstwerke sind dabei kostspieliger als manch berühmte Leinwand. „Ein Kunde hat mit einem Investitionsvolumen von 20.000 Euro sein Riesenrad für Weihnachten umgerüstet“, verrät der Freihand-Zeichner, für dessen Kunstwerke der Ausstellungsraum nie knapp wird.

Für ein Millionenpublikum touren seine Bilder, die dick lackiert rund 20 Jahre halten, auf Breakdancern, Skootern, Schießbuden, Riesenrädern und Geisterbahnen durch Deutschland und das benachbarte Ausland. Es lohnt sich also zwischen Bratwurst und Fahrgeschäft innezuhalten und mal einen intensiveren Blick über die Kulissen schweifen zu lassen.

Quelle: Münstersche Zeitung I 03.08.2010 I Larissa Loges
 

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