[Presse]Der Herr der Schaukel -Kollmann

michael.

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Ob Schaukel oder Karussell: Auf Volksfesten stehen millionenschwere Fahrgeschäfte. Wie das von Josef Kollmann, zur Zeit in Ulm. Schausteller sein heißt für ihn, ein guter Kaufmann und Techniker zu sein.


Josef Kollmann (42) hört, ob einer aus Angst schreit oder aus Gaudi. Er zögert nicht, seine weiße High-Tech-Schaukel für eine Unterbrechung anzuhalten, damit ein überforderter Fahrgast vorzeitig aussteigen kann. Das kommt nicht oft vor - denn der Schausteller setzt auf ein Fahrgeschäft, das nicht allzu wild ist. Es sieht zwar spektakulär aus, ist im Grunde aber so etwas wie eine Schiffschaukel. Eine, in die die Menschen gerne noch einmal einsteigen. Das Geschäft soll sich schließlich rechnen.

Kollmann hat mehr als eine Million Euro in den Betrieb investiert: Allein die Großschaukel kostete 800 000 Euro, hinzu kommen zwei Sattelzugmaschinen und der Mannschaftswagen für die zwei Mitarbeiter. Josef Kollmann konnte seine Hausbank überzeugen, das Vorhaben zu finanzieren, was alles andere als selbstverständlich ist."Schausteller sind bei Banken nicht so gern gesehen." Seine Familie habe sich aber den Ruf erworben, verlässlich zu sein. Kollmann haftet für den Kredit mit seinem Privatvermögen. Was will eine Bank im Falle des Scheiterns auch mit einer Volksfest-Schaukel anfangen? Kollmann:"Wenn etwas schief geht, ist alles weg." Auch sein Wohnhaus in der Nähe von Passau.


Ihm gefällt das Schausteller-Leben, so wie es ist. Er kennt schließlich nichts anderes. Josef Kollmann arbeitete einst im elterlichen Betrieb mit, übernahm ihn, fährt weiterhin hunderte von Kilometern kreuz und quer durch Deutschland - in der Regel von März bis November, neun Monate im Jahr, mit Frauund zwei Kindern (17, 21), auch die 80-jährige Mutter geht mit auf Tour. Deshalb gönnt sich die Familie einen 14 Meter langen Wohnwagen,"er ist wie ein kleines Häuschen".
Kollmann betreibt eines von schätzungsweise 200 bis 300 Fahrgeschäften dieser Größenordnung in Deutschland. Allen Unkenrufen zum Trotz glaubt er an die Zukunft der Branche. In den allerorten aus dem Boden schießenden Freizeitparks sieht er keine wirkliche Konkurrenz."Da kommt man unter 200 Euro nicht raus." Die Kirmes sei zwar auch nicht ganz billig, räumt er ein, aber sie biete eine spezielle Atmosphäre. Indes: Selbstläufer sind Volksfeste nicht mehr,"auch das Oktoberfest nicht". Ob sie genug Menschen anziehen oder nicht, hänge hauptsächlich von der Werbung ab, meint Kollmann. Stimmt sie - wie in Ulm -, dann stimmt in der Regel auch die Kasse, sofern nicht der Risikofaktor Schlechtwetter eintritt und Verluste drohen.



Das Ulmer Volksfest hat seit 2009 sogar steigende Besucherzahlen, berichtet Oliver Fischer von der IG Ulmer Volksfest, die die Veranstaltung im Auftrag der Stadt organisiert. Mithin eine, die - wenn auch nur temporär - selbst einen bedeutsamen Wirtschaftsfaktor darstellt. Über eine Zeit von drei Wochen arbeiten auf dem Platz 450 Menschen in 75 Betrieben. Fischers Prognose für die Besucherzahl 2012: Die 200 000er Marke wird geknackt - vorausgesetzt das Wetter spielt heute am letzten Tag noch mit.



Für den letzten Tag gilt bei Kollmann wie für alle anderen Tage: In der Früh wird die Anlage gewartet. Stundenlang. Für den Schausteller ist das Chefsache. Er beherrscht nicht nur das Kaufmännische, er schweißt, liest Schaltpläne, verkabelt, führt Malerarbeiten aus, baut auf und ab."Wenn ich für alles jemanden beauftragen und bezahlen müsste, wäre ich in einem halben Jahr pleite." Selbstbewusst merkt Kollmann an: Schulabschluss habe er keinen; er verweist auf das Nomadenleben in Kindertagen.

Die IG Ulmer Volksfest ermöglichte Gewinnern einer Verlosung den Blick hinter die Kulissen des Volksfestes. Ihr Interesse war mitunter recht pragmatischer Art."Wie oft passiert es, dass sich einerübergeben muss?", wurde ein Kollege von Kollmann gefragt. Antwort:"Jeden Tag." Das heißt: jeden Tag reinemachen mit dem Wasserschlauch.
Zu den Sorgen und Nöten der Schausteller gehören auch hohe laufende Kosten. Beispiel Strom. Sie zahlen in vielen Städten wesentlich höhere Preise als ein Privathaushalt, klagt Peter Bergmann, der Inhaber der Wildwasserbahn."Bis zu 50 Cent wird uns abgenommen."
Letzter Tag auf dem Ulmer Volksfest: Heute ist ab 14 Uhr geöffnet, um 17 Uhr steigt eine Schwörmontags-Party im Schmankerlgarten.



http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Der-Herr-der-Schaukel;art4329,1556016
 

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