Schleifer Carouselle“: Jedes Teil ein Einzelstück

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Schleifer Carouselle“: Jedes Teil ein Einzelstück

„Schiff drei steht auf Bock 11 – jetzt kriege ich die eine Schraube nicht rein!“ Oliver Bayer kniet auf dem oberen Boden des Etagenkarussells und bemüht sich vergeblich, die etwa 120 Kilogramm schwere Gondel auf dem Bock zu verankern. Es hilft nichts – Schiff drei und Bock 11 passen nicht zusammen. Die Schausteller müssen rückwärts puzzlen. „Früher gab es eben keine Massenabfertigung, jedes Teil ist individuelle Handarbeit“, sagt Toni Schleifer, Besitzer des nostalgischen Karussells.


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Mit seinem Familienbetrieb „Schleifer Carouselle“ ist Toni Schleifer einer der wenigen Schausteller, die noch originale, nostalgische Fahrgeschäfte besitzen und bundesweit aufbauen, dieses Wochenende für den historischen Jahrmarkt der Salzgitter AG auf dem Ilseder Hüttengelände. „Mein Großvater hat 1878 unser kleines Karussell und 1950 das Große gekauft – beide waren seitdem immer in Betrieb. Bis 1933 wurde das Kleinere sogar noch von einem Pferd im Kreis herum bewegt.“


Etwa zwei Tage dauert es, bis das überdimensionale 3D-Puzzle von ihm und seinen Helfern Oliver Bayer und Lutz Felten zusammengesetzt ist. „Wie viele Einzelteile das Fahrgeschäft hat, habe ich nie gezählt, aber es gibt alles mal 16“, sagt Schleifer und schnappt sich eine der 16 mit Spiegeln verzierten Lichtleisten, um sie über dem so genannten „Trichter“ anzubringen – Holzplatten, die den 500 bis 600 Kilogramm schweren Mittelmast verstecken. Die darauf abgebildeten Frauenköpfe hat der Schausteller selbst nachgemalt. „In den Siebzigern gab es so eine Art Seuche“, erzählt der 39-Jährige, „Karussellpferde wurden durch Autos ersetzt und nostalgische Bilder mit Trickfiguren übermalt.“ Auch Schleifers Fahrgeschäfte zierten Donald Duck, Tweety, Asterix und Obelix. „Es war ein Versuch, mit der Moderne mitzuhalten“, sagt Schleifer. Heute setzen er und einige andere Schausteller daran, diese fast verloren gegangene Kultur zu erhalten.




Schleifer beizte die Trichter und zum Vorschein kamen die Originale, lauter Damen, in einem Rahmen aus Blattgold. Auch 17 handgeschnitzte, 100 Jahre alte und liebevoll verzierte Karussellpferde müssen noch aufgebaut werden. „Normalerweise sind es 18, aber Hektor ist krank – er hat sich ein Bein gebrochen“, sagt Schleifer. Jedes Pferdchen hat einen Namen und ist anders gestaltet. „King“ ist schwarz und trägt orientalische Quasten, auf „Bellas“ Sattel hockt ein Greif. „Karussells waren ursprünglich Übungsgeräte für Ritter und Adel“, sagt Schleifer, „leider wurden nach der Grenzöffnung viele Fahrgeschäfte demontiert und in Einzelteilen verkauft – so geht eine ganze Kultur verloren.“




Genau wie Kollege Willy Fellerhoff nagen Zukunftsängste an ihm. „Meine nostalgische Geisterbahn steht noch halb abgebaut in Hamburg“, sagt Fellerhoff, „mir sind alle Helfer bei einer Nacht- und Nebelaktion abgehauen.“ Fellerhoff ist mit seiner „Altweibermühle“, einem Spaßhaus, nach Ilsede gekommen. „Die laufenden Kosten steigen und die Einnahmen werden weniger“, sagt Schleifer, „eine Fahrt für 15 Euro, um unsere Kosten zu decken, würde niemand bezahlen.“ Jedoch sind sowohl die mehr als 10.000 Einzelteile der „Altweibermühle“ sowie ein handgefertigtes Karussellpferd wie „King“ heute unbezahlbar.

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