Das mit der kindlichen Beeindruckung ist wirklich ein spannendes Thema. Meine ersten Kirmesbesuche müssen mich bereits im Kleinkindalter dermaßen fasziniert haben, daß da irgendwie n bleibender Schaden entstanden ist. Selbst in noch erhaltenem Material aus meiner Kindergartenzeit sind überdurchschnittlich viele Bilder von mir gemalt worden, die sich mit dem Thema "Kirmes" befasst haben. Verwischte eindrucksvolle Momente aus der frühen Kindheit waren natürlich erstmal alle Geschäfte, die hoch waren.
Fliegender Teppich, Ranger, Wellenflug und Riesenrad sind natürlich als kleiner Wicht besonders eindrucksvoll. Die todesmutigen "Großen" scheinen wirklich endlos weit in den Himmel empor zu steigen, um anschließend gleich wieder herunterzusausen, und im Ranger sogar plötzlich auf dem Kopf stehen blieben! Wie konnte man sowas nur überleben? Wichtig war natürlich auch die obligatorische Festplatzrunde. In Dülmen war der Platz zweigeteilt, während auf dem größeren "Overbergplatz" mächtig was los war, war der kleinere Marktplatz stets mit
Heitmanns DiscoJet, einem Kinderkarussell und zahlreichen Buden - meist von Schaustellern aus der Umgebung - eher etwas beschaulicher, aber genauso unverzichtbar. Bei
Moby Dick gehörte es zum Pflichtprogramm, daß man eine Runde Backfisch mitnahm (Wo jährlich die Preise etwa so diskutiert worden, wie die Bierpreise in München), der dann bei Tante Helga, die quasi direkt am Platz im dritten Stock wohnte, im Wohnzimmer verzehrt wurde. Hier war quasi über die zwei mal drei - später vier Tage eine Art Brückenkopf errichtet worden, um dem Geschehen möglichst nahe zu sein. Auf dem Marktplatz ging es im Uhrzeigersinn dann weiter an einer Wurstbräterei, die einen Ofen für Schweinshaxen oder irgendwelches Bratenzeugs gehabt haben. Die Zubereitung war natürlich auch spektakulär für kleine Menschen. Vorsichhingarend drehte sich das Fleisch vor den unzähligen kleinen Gasflammen. Wir haben dort nie etwas gegessen. Warum auch immer. Als nächstes kam (das ist auch bis heute glaub ich noch so)
Krackes Verkaufssalon aus Ochtrup, wo unter der Markise massenweise Süßwaren gab. Man meinte kaum das Verkaufspersonal zu finden hinter riesigen Bergen wohlduftendem Süßkram. Mandeln, Waffeltüten oder eine Flasche mit Zuckerperlen gaben einem die Gelegenheit, ein wenig Schlaraffenland mit nach Hause zu nehmen. Weiter im Rund kam obligatorisch das
Chinesische Fadenziehen, welches ich als Kind sehr geliebt habe. Ich kam ohne Probleme vom Tresen an die Schnüre (gefühlte Millionen Wäscheleinen) heran, und habe auch meist genügend Holzkügelchen mit Zahlen hochgezogen. Auch mal eine goldene 5, die super selten (im Gegensatz zu den orangeroten 1er-Kugeln) waren. Allein das Gefühl in diesem riesen Bündel Schnüre rumzuwuseln war schon was besonderes. Meine favorisierte Prämie war immer das Stempelkissen, das meine Eltern immernoch wochenlang in den Wahnsinn trieb, weil erstens alles vollgestempelt wurde, und zweitens diese Gummibuchstaben überall in der Bude rumflogen. Weiter im Kreis - schräg gegenüber - gab es noch eine
Spielwarenbude, wo es damals diese Windräder gab mit den kleinen bunten metallischen Folienpropellern. Gibts das heute eigentlich noch? Den Glanz werd ich nie vergessen. In der mitte des Platzes stand noch ein
Kindersportkarussell, in moderneren Tagen war es dann eine Schleife, und der besagte im Lichtermeer mit affenzahn fahrende
DiscoJet, wo bei Vollgas mittels einer heulenden Sirene für akustische Untermalung gesorgt wurde. Das war der Sound, den man noch über Meilen hörte, bevor die Breakdance-Ära mit ihren Getrieben kam XD. Ein wenig weiter um die Ecke im nun wirklich ruhigstem Winkel stand mehr oder weniger als "Rausschmeißer" Krackes
Glücksprinz. Vermutlich die erste Ausgabe, mit spiegelkugelähnlichen Warenregalen und einer klassischen Front mit Glühbirnen bestückt. Interessant find ich, daß dieses kleine Areal sich eigentlich bis Heute in dieser Form stets erhalten hat.
Hatte man den Marktplatz abgeklappert ging es entweder die meist stärker befahrene Borkener Straße hoch, oder man schlenderte durch die Gassen wieder zurück zum großen Overbergplatz. Auf dem Weg jedoch kam man beim heimischen
Bäcker Sickenberg vorbei, der sich zur Kirmes stets in seine Galauniform in Weiß warf, mit einer riesigen Bäckermütze auf dem Kopf und mit 4 Waffeleisen im überdachten Eingangsbereiches seines Cafés hantierte. Hier eine Belgische frisch gebackene noch warme Waffel mitzunehmen war Pflicht. Da gab es auch noch nicht Vanillesoße, Kirschen oder sonstiges Gedöns, sondern lediglich zwei Varianten: Mit Puderzucker oder Ohne. Leider ist die Ära des hobbymäßig nebenbei als Drehorgelspieler firmierenden Bäckers seit seinem Tode vor schon mehr als einem Jahrzeht vorbei.
Zurück auf dem Overbergplatz (durch die Tibergasse) war man neben dem obligatorisch fast schon ein wenig stiefmütterlich wirkendem Marktplatzgeschehen, wieder mittem im Zentrum von Ausgelassenheit, lauter Musik, und sich in den Fahrgeschäften widerspiegelndem technischen Fortschritt. Grade in den End-80ern bis 90ern kann ich mich an wirklich viele Topattraktionen erinnern, die sich in meinem eigentlich eher beschaulichem Heimatkaff (wir waren damals grad so an der 40000-Einwohnergrenze)
die Klinke in die Hand gaben. Turnusmäßig wechselten sich die
Skooter von Bernhard Tovar im Frühjahr und den Hartkopf-Osselmanns im Herbst ab. Im Herbst gab es immer ein Riesenrad, meist das
Columbiarad von Kleuser (Damals nach dem Columbia 2 aus den (ich glaube, weiß aber nicht genau) Schwarzkopf-Schmieden kam das fast werksfrische "Columbiarad III"-"Klapprad" von Mondial). HO Schäfer spielte häufig, und kam mit einigen Geräten direkt von der Weltpremiere in Münster nach Dülmen rüber. Namentlich bleiben von Schäfer ganz klar
Ranger, Shake und vorallem anfang der 90er der
Surfdance, meiner Meinung nach eines der schönsten Hochfahrgeschäfte überhaupt (Mit riesiger Rückwand von Stritzel glaub ich), insbesondere die plastisch gestalltete und vollbeleuchtete Gondel. Christian (respektive damals glaub ich ja noch Hermann) Bonner mit dem
Breakdance war im Herbst auch rasch zu einer Institution geworden. Später auch mit dem Größeren. Damals in den 80ern war das Zentrum noch nicht so stark bebaut, und es war noch Platz für einen
Wellenflug. Mein erstes großes Fahrgeschäft war Röpers
Hollywood Star, welches ich optisch heutzutage immer noch sehr gefällig und schön finde, mit dem Turm in der Mitte. Auch Überfelds
Loopingbahn hat mal gespielt mit einem tierischen Radau

Michael Völlmeckes
Zyklon mit der legendären Frau Manegold am Mikrofon war auch immer eine Bank. So klein die Hütte auch war, es bildeten sich stets Menschentrauben vorm Geschäft. An Bruchs
Happy Monster kann ich mich auch noch erinnern, die wellenartigen undurchsichtigen Bewegungen haben mich sehr beeindruckt. Apropos Wellenartig: Auch an ein Gastspiel des Reverchon-Explorers
Music Swing kann ich mich erinnern. War optisch auch sehr ansprechend. Auch ein Laufgeschäft fällt mir da noch ein, das damals auf der Stirnseite des Platzes postierte
Verrückte Hotel, mit den beiden beweglichen sprechenden Figuren vor der Tür war völlig beeindruckend. Zig male bin ich mit meinem Cousin über die Wackelbrücken ins lustige Labyrinth, wobei das Highlight immer die Fahrt zu Beginn mit dem Fließband war....
Eine wahnsinnig schöne, bunte Zeit, immer mit ein wenig Wehmut behaftet, wenn man am Montag vielleicht noch bei
Bauers Blumenland einen Gummibaum für ein paar Mark mitnahm, da hier nur noch vercheckt wurde und nicht mehr gelost

, und dann wusste, morgen ist nichts mehr da von der bunten Anderswelt. Die beiden Kirmestermine waren im Jahresgeschehen betrachtet mindestens genausowichtig wie Geburtstag oder Weihnachten. Man wusste genau: Nach dem Geburtstag ist es nicht mehr lang, nach der Viktorkirmes im Oktober aber umso länger... Winter, Weihnacht, Silvester Ostern.... bis es dann - endlich - wieder losging.